Behinderung nachempfinden können mit Rollstuhlralley
Da ich gestern bereits über das Leben im Rollstuhl geschrieben habe, greife ich heute das Thema einfach nochmal auf, nur aus der anderen Perspektive: nämlich aus der körperlich ,,gesunden“.
Durch Zufall stieß ich heute auf einen Zeitungsartikel, der über ein paar Jugendliche berichtet, die eine Rollstuhl-Ralley veranstaltet haben. Sie wollten es einfach mal ganz genau wissen, wie das so ist, wenn man im Rollstuhl seinen kompletten Alltag erledigen muss.
Also schnappte sich jeder einen Rollstuhl und es wurde losgerollt: in den Supermarkt, um Dosensuppe aus dem obersten Regal zu beschaffen, Eis kaufen beim Italiener und Treppenstufen ohne Aufzug erklimmen.
Tausend Kleinigkeiten, die so selbstverständlich sind, dass wir sie bewusst gar nicht wahrnehmen – bis wir sie nicht mehr können. ,,Am Tag klappen tausend Dinge und wir regen uns ausgerechnet über das einzige Ding auf, was ausnahmsweise mal nicht klappt. Anstatt dankbar für die tausend andere Dinge zu sein, die geklappt haben.“ So ein frisch gebackener Autor über die Widrigkeiten des Alltags. Recht hat er. Denn es ist gar nicht so einfach, die Welt ohne seine zwei Beine zu erkunden und zu erleben. Wir gehen den ganzen Tag: einkaufen, die Freundin besuchen, spazieren, joggen oder wir befestigen ein Poster an der Wand, putzen das Fenster oder gehen schlichtweg einfach duschen. Probieren Sie das bitte mal in einem Rollstuhl sitzend! Plötzlich wären Sie dankbar dafür, einfach mal so zum Kaffeeplausch zur Freundin huschen zu können. Jetzt erfordern die fünf Minuten Gehzeit plötzlich eine halbe Stunde.
Auf jeden Fall haben diese Jugendliche einen vorbildlichen Beitrag zum Thema ,,Barrierefreiheit“ geleistet, denn authentische Toleranz beinhaltet immer das Begreifen und Nachempfinden der Gefühle des anderen. Und das geht manchmal eben nur, in dem man das fremde Leid mal am eigenen Leib spürt. Mutig haben sie sich getraut, Tabuzonen zu überqueren und ein kleines Zeichen in unserer noch vorsichtig taumelnden Gesellschaft, was diese gerne umgangenen Themen angeht, zu setzen. Da kann ich nur Daumen hoch sagen 🙂 !