Alltag

Behinderung kann vererbt werden: Kinder kriegen, ja oder nein?

Letztens habe ich eine interessante Unterhaltung geführt, an der ich euch gerne teilhaben lassen möchte. Ein schon lange sehr hitziges Thema wurde hier neu auf den Tisch gepackt und zum Überkochen erhitzt.

Eine Freundin besuchte mich zum Abendessen. Wir stellten uns das ganz gemütlich vor: Erst einmal gemütlich kochen, dazu eine Flasche Rotwein und das Leben könnte so schön sein. Ja. Könnte. Denn nach einer halben Stunde erzählte mir die Freundin eine Begebenheit aus ihrem Leben, die mich aufhorchen ließ.
„Ja. Und mit der Lena habe ich ja auch keinen Kontakt mehr.“ Lena ist ihre Schwester. Ihre Schwester hat vor einer Weile jemanden geheiratet, den sie sehr liebt. Dieser Mann ist behindert, geht aber ganz unbefangen damit um und erweckt auch sonst nicht den Eindruck, als würde er sich an seiner eigenen Versehrtheit allzu sehr stören.
„Warum denn nicht?“, frage ich, während ich die Zwiebeln schneide.

Und ich erfahre, dass Lena schwanger geworden ist. „Das ist doch verrückt!“, ereifert sich meine Freundin.
„Wie kann man nur so egoistisch sein? Die beiden wissen genau, dass eine 50% Chance besteht, dass das Kind diese Behinderung erbt! Wie kann man das seinem Kind antun? Wie verantwortungslos und dumm muss man denn sein?“ Und so ging es in einer Tour weiter. Bis mir der Kragen geplatzt ist.
Denn meiner Meinung nach, ist es vollkommen gerechtfertigt, dass sie ein Kind bekommen. Denn erst einmal ist es ohnehin so, dass wir immer eine 50% Chance haben, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen. Kein Mensch, und die Natur schon mal gar nicht, kann uns eine Gesundheits-Garantie auf ein Säugling geben. Das ist unmöglich. Geht einfach nicht. Insofern – sind ja alle Frauen verantwortungslos.

Aber nicht nur das. Ich kann ihren Wunsch sehr gut nachvollziehen, ein Kind mit dem Mann zu zeugen, den sie über alles liebt. Dass sie dieses Risiko eingehen möchte. Denn erstens ist ihr Mann ja offensichtlich auch kein unglückseliges Hemdchen, das nicht weiß, was werden soll und traurig durch das Leben schlurft. Er empfindet sich als vollkommen normal. Und so kann er auch einem eventuell behinderten Kind mit frohen Schrittes als Vorbild voran gehen. Ich frage mich ernsthaft: Verdammt nochmal, wo ist eigentlich das Problem?

Aber auch diese Argumente zogen nicht. Also zog ich mein As aus dem Ärmel. Es gab da mal eine Zeit, in der es legalisiert werden sollte, kleinwüchsige Menschen noch während der Schwangerschaft abzutreiben. Dagegen wurde heftig protestiert. Nicht aber von den gesunden Muttis, die so verantwortungsvoll handeln wollten, nein, sondern von den kleinwüchsigen, erwachsenen Menschlein in unserer Gesellschaft. Die haben nämlich überhaupt nicht das Gefühl, behindert zu sein. Nur behindert zu werden. Von solchen idiotischen Meinungen und Gesetzen. Gesunde Menschen sind, ganz offensichtlich, ziemlich arrogant.

Und, was denkt ihr darüber? Übrigens wird das Thema auch hier angeschnitten.

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